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Land- und Forstwirtschaft

Wiedereinrichtung im Jahr 1991

Unmittelbar nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 haben wir uns bei der damaligen Treuhandanstalt um die in Staatseigentum verbliebenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen des ehemaligen Familienbesitzes in Falkenhain und Heyda beworben. 1991 konnten wir ca. 250 Hektar Acker- und Grünland für ein Jahr lang pachten. Das war natürlich keine zukunftsträchtige Grundlage für den Aufbau eines neuen Betriebes. Nach dem die Verträge zwei mal um jeweils ein Jahr verlängert wurden, konnten wir 1994 endlich einen langfristigen Pachtvertrag von der Nachfolgerorganisation der Treuhandanstalt - der BVVG - bekommen. In dieser Zeit haben Margarete und Georg von Carlowitz ihre Existenz mit Büro und Wohnhaus in Westdeutschland verkauft und damit die Grundlage zur Finanzierung des Kaufes der LPG Tierproduktion Philipp Müller geschaffen. Damals haben wir am Standort Dornreichenbach 700 Muttersauen, am Standort Kühnitzsch 300 Milchkühe und ca. 450 Hektar Pachtfläche der Genossenschaftsbauern übernommen. 

Jahr 2020

Heute bewirtschaften wir, einschließlich Pachtfläche, ca. 1.000 Hektar Landwirtschaft und 400 Hektar Wald  mit sechs ständigen Mitarbeitern. Dabei werden insbesondere Weizen, Gerste, Raps, Mais, Zuckerrübe und Luzerne angebaut.

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Der Betrieb liegt ca. 35 km östlich von Leipzig auf Parabraunerde und Pseudogley aus Sandlöss. Das sind "mittlere Böden" mit einer Bodenwertzahl zwischen 50 und 60 (von 0 bis 100 möglichen) Bodenpunkten. Im langjährigen Mittel haben wir ca. 580 Liter je m² Niederschläge mit einer ausgeprägten Trockenphase zwischen April und Ende Juni. In den letzten 3 Jahren (2018 bis 2020) war diese Trockenphase mit einem Niederschlagsdefiziet von reichlich 150 Litern besonders folgenreich.

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Durch die ausgeprägten Frühsommertrockenheiten kommen wir mit den üblichen Sommerkulturen nur schwer zurecht. Sommergetreide, Erbsen, Bohnen, Sonnenblumen brauchen mehr Niederschläge im späteren Frühjahr als Winterkulturen wie Wintergetreide und Winterraps. Mais wird zwar erst im Frühjahr gelegt (gesäht), nimmt aber unter den Sommerkulturen eine Sonderstellung ein, weil er sehr tief abgelegt wird und in der Jugendphase besser mit hohen Temperaturen und Trockenheit zurecht kommt. Aber ganz ohne Wasser wächst auch der Mais nicht.

Diese Rahmenbedingungen bestimmen unsere Fruchtfolgen, in denen Winterweizen, Wintergerste, Winterraps und Mais dominieren.

Zugleich sind diese Rahmenbedingungen ein erhebliches Hindernis für die Umstellung auf ein sogenanntes ökologisches Anbauverfahren, in dem sich lehrbuchartig Sommerungen mit Winterungen abwechseln und Erbsen und Bohnen als Leguminosen die Stickstoffversorgung für die Folgekulturen gewährleisten müssen.

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Nicht nur als Nachkommen des sächsischen Oberberghauptmanns und Erfinders des Begriffes der Nachhaltigkeit (s. Thema Nachhaltigkeit) müssen wir uns mit der Frage nach der Bewirtschaftungsform auseinandersetzen. Die Klimaerwärmung, das Artensterben und die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden sind real und betreffen uns Land- und Forstwirte unmittelbar und ausgesprochen heftig.

Nach unserem Verständnis bedeutet das Prinzip der "Nachhaltigkeit" ein dauerhaftes Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Menschen, der Umwelt und der betrieblichen Machbarkeit anders ausgedrückt zwischen Soziologie, Ökologie und Ökonomie.

Dabei gilt es, für die derzeitige Weltbevölkerung von ca. 8 Mrd. Menschen ausreichend gesunde und verantwortungsvoll hergestellte Nahrungsmittel sicher zur Verfügung zu stellen. Das geht solange nicht ohne Eingriffe in die Natur, solange diese Nahrungsmittel nicht ausschließlich in Reagenzgläsern hergestellt werden. Selbst dann würden diese Lebensmittelfabriken Nährlösungen benötigen, die wohl immer noch aus Feldfrüchten gewonnen würden.

Der Ansatz des ökologischen Feldbaues ist es, Kulturpflanzen und Natur in einem gemeinsamen Raum zu belassen. Dabei wird auf chemischen Pflanzenschutz und chemischen Dünger verzichtet. Zum Einsatz kommen nur mechanische Regulierungen (Hacke und Striegel) und Betriebsmittel, die in ihrer Form auch natürlich vorkommen (Gesteinsmehle, Stalldung aber auch Kupfer (ein Schwermetall) in verschiedenen Zusammensetzungen).

Wo es die Standort- und Witterungsverhältnisse zulassen, ist das ein spannender Weg, in dem noch viel Entwicklungspotential steckt. Aber wie schon erläutert, kommt auch der Ökolandbau nicht ohne Eingriffe in die Natur zurecht und erzielt bei unseren Verhältnissen nur etwa die Hälfte des Ertrages der konventionellen Landwirtschaft. Um die gleiche Menge Nahrungs- und Futtermittel zu erzeugen, benötigt die ökologische Bewirtschaftung also die doppelte Anbaufläche.

Der Stickstoffverlust ist beim Ökolandbau nur etwa halb so hoch wie beim konventionellen Landbau - bezogen auf die Fläche. Bezogen auf das Ernteprodukt gibt es aufgrund der geringeren Flächenerträge kaum Unterschiede.

Das ist ein ausgesprochen vielschichtiges und spannendes Thema, das uns alle angeht. Weder die Gesellschaft noch wir als Familie haben bisher eine klare Strategie für eine wirklich zukunftsweisende Landnutzung gefunden.

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Mein ganz persönlicher Ansatz lautet übrigens wie folgt:

Ein Zukunftsmodell für unsere Landwirtschaft ?

 

Ausgangspunkt:

 

Gesellschaftlicher Anspruch

„Die Gesellschaft“ wünscht eine noch stärkere Ausrichtung der landwirtschaftlichen Primärproduktion an Umwelt- und Klimazielen. Dieses Anliegen deckt sich grundsätzlich mit dem Anliegen der Landwirte, denn eine intakte Umwelt und ein verlässliches Klima sind lebensnotwendige Produktionsgrundlagen und -faktoren der Betriebe.

Selbstverständnis der europäischen Landwirtschaftsbetriebe

Wir verstehen uns als Unternehmer mit einem gesellschaftlichen Auftrag: der sicheren und nachhaltigen Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend, verantwortlich produzierten und gesunden Lebensmitteln. Dabei akzeptierten wir gesellschaftliche Vorgaben, wenn sie im Sinne eines fairen Wettbewerbes für alle Marktteilnehmer gleich und klar geregelt sind. Instrumente einer sozialen Marktwirtschaft finden auch in diesem Bereich ihren Einsatz.

Es geht also um die klassische Frage, wie die Belange von Ökologie – Soziologie und Ökonomie in ein ausgewogenes Gleichgewicht gebracht werden können. Also um die Frage nach der Nachhaltigkeit des gesamten Themenkomplexes (Primärproduktion, Handel, Verarbeitung, Vermarktung, Konsum)

Ordnungsrechtliche Auflagen die Landwirtschaft betreffend  nehmen laufend an Komplexität, Unübersichtlichkeit und Schärfe zu. Damit einhergehen zunehmende  Probleme, Betriebskontrollen sachgemäß und umfassend durchführen zu können. Leider entstehen durch Kontrolllücken auch Ungerechtigkeiten.

Gleichzeitig steht die Europäische Lebensmittelproduktion in direkter Konkurrenz mit außereuropäischer Lebensmittelproduktion. Die europäischen Produktionsauflagen stellen einen enormen Wettbewerbsnachteil dar, welcher durch die von allen Seiten wenig akzeptierten Flächenprämien nur unzureichend ausgleichen werden.

Bsp.: Wir müssen mit unserem nach DüVO und Zulassungspraxis von Dünge- und PS-Mitteln produzierten Weizen letztlich auf dem Weltmarkt gegen z.B. in Kasachstan produzierten Weizen preislich mithalten. Das wird immer schwieriger.

Wie könnte ein Modell aussehen, das die Nachhaltigkeiten des ganzen o.a. Themenkomplexes berücksichtigt?

Wir könnten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft (unserem gemeinsamen Markt) klar definierte Produktionsbedingungen festlegen. Beispielhaft seien hier genannt:

  1. Verbot des Einsatzes von synthetischen Pflanzenschutz- und Pflanzenhilfsstoffen

  2. Verbot von synthetisch hergestellten Düngemittel

  3. Konkret bestimmbare, leicht kontrollierbare Tierwohlkriterien

  4. Konkrete Rahmenbedingungen zu Arbeitsbedingungen der Beschäftigten

Eine anderes Modell wäre die verbindliche Festlegung von Fachverbandskriterien (Demeter, GÄA, …) für alle Marktteilnehmer.

Essentiell sind klare und damit  leicht kontrollierbare Kriterien. Dadurch würden zugleich Regelverstöße erschwert.

Wenn diese Kriterien nur durch Regelungen im Bereich der Primärproduktion und nicht in den anderen Bereichen des Themenkomplexes (s.o.) eingeführt werden, dann werden die eigentlichen Ziele nicht erreicht. D.h. spätestens durch Import anderweitig produzierter Ware sind europäische Landwirtschaftsbetriebe nicht mehr wettbewerbsfähig (der europäische Markt für „Bio-Ware“ ist zu klein und zu störanfällig). In den Regalen des LEH landen weiterhin überregional konventionell produzierte „billigere“ Lebensmittel (konventionelle Importware), die zwar von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung gekauft werden, jedoch in dieser Form in Europa gar nicht mehr produziert werden dürfen.

Dieses Modell bedingt also zwingend, dass die gleichen Kriterien, mit denen die Primärproduktion belegt wird, auch an den Handel, die Verarbeitung und die Vermarktung angelegt werden. Ziel muss sein, dass letztlich innerhalb des gemeinsamen Europäischen Marktes nur noch Lebensmittel gekauft und konsumiert werden, die diesen klaren und leicht kontrollierbaren Regeln unterliegen.

Die Schwierigkeit besteht in der Anpassung der internationalen Handelsverträge und der Kontrolle der Lebensmitteleinfuhren. Diese beiden Punkte bedürfen eines gemeinsamen Willensbildungsprozesses, weil die fein austarierten komplexen Verträge i.d.R. auch Industrieprodukte einbeziehen, auf dessen Export unsere Volkswirtschaften angewiesen sind.

Welche Auswirkungen wären zu erwarten?

Es ist anzunehmen, dass wir in Europa weniger Primärprodukte erzeugen würden. Ob die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung abgesichert ist, hängt wahrscheinlich vom Importpotential von hier „zugelassener“ Ware ab. Aber möglicherweise würden durch das Spiel von Angebot und Nachfrage auch die Lebensmittelpreise steigen (Bioprodukte sind ja bereits etwas teurer). Es könnte auch dazu kommen, dass Tierische Produkte im Vergleich zu rein pflanzlichen Lebensmitteln teurer werden und es so zu Verschiebungen im Einkaufs- und Konsumverhalten und damit in der Primärproduktion kommt.

Schön wäre es, wenn die geringere Produktionskapazität über höhere Lebensmittelpreise zu einer Situation führt, in der Landwirtschaftsbetriebe auch ohne Flächen- und Betriebsprämien wettbewerbsfähig sind.

Gemeinsames Ziel aller Beteiligten sollte wie eingangs gesagt, ein möglichst nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Umweltressourcen sein. Wenn wir dieses Anliegen glaubhaft vertreten, wäre es möglich die Landwirtschaft ein Stück weit aus der ständigen gesellschaftlichen Kritik heraus bekommen.

Wir müssen aber auch Begleiterscheinungen berücksichtigen. Wir brauchen für diese Art der Primärproduktion wahrscheinlich mehr Fachpersonal, das schon jetzt gar nicht zur Verfügung steht. Wir müssen diskutieren, ob dieses Modell überhaupt unsere Umweltziele erreicht und gleichzeitig (auch in schwierigen Jahren) eine Versorgungssicherheit gewährleistet. Wir müssen auch diskutieren, wie die o.a. internationalen Verträge, die uns ja den Export von Industriegütern gewährleisten sollen, zustimmungsfähig angepasst werden können. Und wir können darüber diskutieren, ob die Gesellschaft überhaupt dazu bereit ist, sich ihrer Einflussmöglichkeiten zu berauben, wenn das Instrument der CC-verursachten monetären Sanktionen wegfällt.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein solches Modell tatsächlich umgesetzt wird. Die individuellen Interessenlagen sind zu komplex und zu konträr. Niemand in der Politik wird solch große Schritte wagen. Aber wir sollten diesen Denkansatz verfeinern, ergänzen und dann ganz offen diskutieren. Und wenn es nur eine Chance ist, unsere Glaubwürdigkeit und Deutungshoheit (die wir teils berechtigt und teil unberechtigt verloren haben) zurückzugewinnen.

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